Samuel kletterte also die Treppe hinab. Die Treppe war sehr lang, und jetzt im Dunklen kam sie ihm endlos vor. Die Stufen wanden sich links herum und rechts herum und endeten schließlich. Samuel starrte in die Dunkelheit, die unter ihm lag. Mit einer Hand am Geländer beugte er sich nach vorne. Wie tief es wohl sein mochte.
Da spürte er plötzlich etwas Kaltes an seiner Hand. Und als er hinsah, erblickte er eine kleine Schnecke, die auf das Treppengeländer gekrochen war. „Hallo“, sagte die Schnecke, „was machst du denn hier?“ – „Ich bin Samuel. Und ich muss ganz dringend auf die Erde.“ antwortete der kleine Engel. „Aber müsstest du nicht schon längst im Bett sein?“ – „Doch schon, aber ich habe meinen Freund Paul verloren.“ Und Samuel erzählte der Schnecke, was passiert war. Die Schnecke hörte geduldig zu, nickte mit dem Kopf, und sagte schließlich: „Ja, du musst wirklich dringend nach unten. Ich will dir helfen. Ich heiße übrigens Anna. Komm mit.“
Und sie glitt ein Stück am Geländer entlang. Samuel folgte ihr. Als sie einige Stufen nach oben geklettert waren, deutete Anna mit dem Kopf nach unten. „Da. Siehst Du?“ Um einen der Steinpfosten, die das Geländer trugen, war ein Seil geknotet. Das eine Ende baumelte nach unten und verschwand in der Dunkelheit. „Hier unten ist ein kleiner Teich. Da holt Raphael immer Wasser, um die Treppe zu putzen. Er sagt immer: ‚Der Eingang muss blitzsauber sein – auch, wenn es nur der Hintereingang ist.‘ Aber weil er keine Lust hat, den Eimer den ganzen Weg bis hier oben zu tragen, hat er ihn an das Seil geknotet. So kann er Wasser von unten schöpfen. Ich und die anderen benutzen das Seil, um abends noch rauf und runter zu klettern, wenn die Treppe schon oben ist.“ Samuel schaute verwundert auf das Seil. Es war nicht sehr dick, sah aber stabil aus. „Gut“, dachte er, „dass ich beim Turnen immer klettern geübt habe. Das könnte klappen.“ Und zu Anna sagte er: „Danke. Das werde ich dir nicht vergessen.“ – „Kein Problem.“, sagte Anna, „Darf ich dich vielleicht begleiten? Mir ist eh‘ langweilig. Ich wollte eigentlich nach oben und schauen, ob ich in der Himmelsbäckerei ein paar Plätzchenkrümel abstauben kann. Aber das ist noch so weit.“ – „Klar.“ antwortete Samuel, der froh war, dass er Begleitung haben würde. Und Anna schien ja auch nett zu sein. Also setzte er sie behutsam in die Tasche seines Mantels und schwang sich auf das Geländer. Vorsichtig ergriff er das Seil und – schwupp – ließ er sich daran nach unten gleiten. Es ging schnell voran und als er den Boden sehen konnte, sprang er das letzte Stück.
Plumps. Samuel landete im weichen Gras neben dem Teich. Im Sommer musste es hier herrlich sein. Aber jetzt im Winter und in der Dunkelheit wirkte alles wenig einladend. Wohin nun? Samuel entdeckte den schmalen Weg durch die Büsche, noch bevor Anna etwas sagen konnte. Zum Glück schien der Mond ein wenig und die Sterne gaben auch noch Licht – zumindest die, die er nicht vom Himmel geschubst hatte, dachte Samuel und musste schlucken. Aber es nützte nichts, zu jammern. Er musste Paul finden und zurück bringen. Und dann wäre alles wieder gut.

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